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Kooperations-projekt mit der Lebenshilfe:

„Von Behinderung betroffene Menschen als Referent/-innen an der FakS“


Seit vielen Jahren bestehen Berührungspunkte und Kontakte zwischen den Einrichtungen der Lebenshilfe im Raum Nördlingen sowie der Fachakademie. Für Absolventinnen und Absolventen, die im Bereich der Behindertenarbeit tätig werden möchten, ist der Träger ein potenzieller Arbeitgeber. Außerdem engagiert sich die Lebenshilfe seit Langem in der Ausbildung von künftigen ErzieherInnen, sie bietet Ausbildungsplätze als Erzieher-Praktikant/-innen (ehemaliges SPS), als Berufspraktikanten oder in der Ausbildungsform OptiPrax. Im Zuge von Veränderungen in der Erzieher/innen-Ausbildung werden kürzere Praktika während der theoretischen Ausbildungsjahre an der FakS an Bedeutung gewinnen und eine wertvolle Bereicherung der Ausbildung darstellen.
Neben den bisher bestehenden Kontakten, Vorträgen, Einrichtungsbesuchen oder gemeinsamen (abendlichen) Aktivitäten an der FakS hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren nochmals intensiviert und im Sinne des Inklusionsgedankens unter dem Aspekt der Teilhabe spezifiziert:
Wenn unter Teilhabe die Komponente des selbstbestimmten Mitgestaltens einbezogen wird, stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern Menschen, die von Behinderung betroffen sind, einen Beitrag für die Gestaltung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern leisten können. So kam es zu dem Kooperationsprojekt „Von Behinderung betroffene Menschen als Referentinnen und Referenten an der FakS“.
Das Projekt umfasst eine am Lehrplan orientierte Reihe an Vorträgen, Begegnungen, Gesprächsmöglichkeiten und gemeinsamen Aktivitäten. Es waren unter anderem die Unterrichtsfächer Ökologie- und Gesundheitspädagogik, Musikpädagogik und das Praxisfach „SPP Sonderpraktikum“ eingebunden. Die Studierenden lernten Lebensweisen und Lebensentwürfe kennen, nahmen die Gäste mit ihren Kompetenzen wahr und es wurden Fragen erörtert, in welchen Bereichen die Betroffenen sich von der Gesellschaft an der Teilhabe behindert fühlen.
Nachdem die Corona-Pandemie mit den bekannten Kontakteinschränkungen das damals noch zarte Projekt jäh ausgebremst hatte, nahm es auch in diesem Jahr ein weiteres Mal Fahrt auf. So entstanden an der FakS wieder Begegnungsmöglichkeiten, in denen über Inklusion debattiert und diese zugleich praktiziert werden konnte.
Im Fach Heilpädagogik standen Bezüge zur Frühförderung, Lebensqualität, Selbstbestimmung, Unterstützte Kommunikation und natürlich Teilhabe und Inklusion im Vordergrund.
Zwei Mitarbeiterinnen der Interdisziplinären Frühförderung stellten in einer dialogbasierten Vortragsform ihre Arbeit vor. Aus erster Hand lernten die Studierenden den Ablauf und typische Ziele von Fördereinheiten kennen, bekamen den Gesichtspunkt der Interdisziplinarität erläutert und erhielten Einblicke zur Lage von betroffenen Eltern. Hintergrund ist die Tatsache, dass im Berufsalltag künftige Erzieherinnen und Erzieher mit Kindern mit zusätzlichem Förderbedarf, und folglich mit Vertreterinnen der Frühförderung, in Kontakt kommen dürften.
Ein Referent mit einer Einschränkung aus dem Bereich der Autismus-Spektrum-Störung berichtete über sein Leben mit seinen Besonderheiten in seiner Wahrnehmung und seinen spezifischen Vorlieben, auch unter dem Gesichtspunkt seiner selbstständigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung in einer Wohngemeinschaft. Auf sehr offene Art und Weise beantwortete er Fragen der Studierenden. Dabei entstand eine Begegnung, die sich wandelte von einem Kennenlernen eines Störungsbildes zum Kennenlernen einer Person mit ihren individuellen Vorlieben, Abneigungen und Wünschen.


In einem weiteren Vortrag wurden den Studierenden v.a. praktische Facetten der Unterstützten Kommunikation anschaulich dargestellt. Die Referentin, eine Sonderpädagogin, berichtete praxisnah von den Herausforderungen, dem Nutzen und ihren Zielen bei der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen mit Hilfsmitteln. Viele technische Geräte wie auch nichttechnische Hilfsmittel konnten die Studierenden kennenlernen und ausprobieren. Neben der Handhabung wurde hierbei der Wert dieser „alternativen Kommunikationsformen“ für Selbstbestimmung, Teilhabe und somit Inklusion deutlich.
Mit dem Ziel, das Verständnis für Eltern zu erhöhen, die ein Kind mit einer Behinderung haben, stellten Betroffene ihre Lebenssituation dar, Veränderungen im Leben, Wünsche und einhergehende Sorgen, aber auch Freude und Stolz. Erlebnisse der Eltern wurden, authentisch geschildert, lebensnäher als über Fachartikel möglich, ein Wechselbad zwischen Hoffnung, dem Annehmen des Unbekannten sowie die Beschreibung der hohen unerwarteten Belastungen. Nicht zuletzt stand die Frage im Raum, was Eltern guttut, die vor derartige Herausforderungen gestellt sind, und wodurch sie sich unterstützt fühlen.
Weitere Begegnungen im Rahmen des Projektes fanden unter anderem im Fach Musikpädagogik statt. Mehrere Bewohner stellten zunächst den Studierenden der FakS vor, wie sie musizieren, wie sie Musik praktizieren und welche Freude sie daran haben, wobei auch ein Stück berechtigter Stolz „mitschwang“. Bei weiteren Treffen rückte mehr und mehr das gemeinsame Musizieren in den Mittelpunkt. Ein Rahmen, in dem sich etwas Neues entwickeln ließ und Kontakt und Begegnung nicht primär über Worte, sondern während einer gemeinsamen Tätigkeit im Gleichklang von Takt und Tonsatz entstanden.
Im Rahmen der praktischen Ausbildung (SPP) fanden weitere Begegnungen statt, die die Auszubildenden der FakS auf ihre künftigen möglichen Arbeitsfelder wie auch auf Praktika im sonderpädagogischen Bereich vorbereiten. Zum Beispiel berichteten Bewohner von Wohngruppen über ihre Hobbys, ihre Wohnsituation, aber auch über ihre Vorstellungen und Erwartungen an Betreuende in den Wohngruppen. Diese geben Anlass über Rolle und Selbstverständnis als ErzieherIn in diesem Arbeitsbereich zu reflektieren, wozu die Bereitschaft gehört, Bedürfnisse von Kommunikationspartnern respektvoll, gleichwertig und zuweilen sensibel wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Ziel der Thematisierung ist es auch, aufzuzeigen, wo in ihrem Leben die Gäste an Teilhabe und Selbstbestimmung „behindert“ werden: Zu diesem Themenbereich gehört die differenzierte Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen und die entsprechend mit diesen gegebenen Möglichkeiten eines selbständigen Wohnens.
Ebenfalls im Zusammenhang mit Selbstbestimmung im Spannungsfeld zu Selbstständigkeit stand der Vortrag eines Bewohners, der seit einem Unfall Rollstuhlfahrer ist. Es wurde deutlich, wie sehr er es vorziehen würde, ohne fremde Hilfe auszukommen, und er legte mit Überzeugung dar: „Alles, was ich noch selber machen kann, mache ich selber, solange es geht!“ Gleichzeitig würdigte er die Arbeit von Betreuenden in Wohngruppen der Lebenshilfe und dass es Institutionen gibt, die Unterstützung für ein möglichst selbstständiges Wohnen sowie selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Abschließend ermutigte er die zuhörenden zukünftigen ErzieherInnen zu deren gewählter beruflichen Aufgabe. Er würdigte die Arbeit von „Erziehern“ mit den Worten: „Die Gesellschaft braucht solche Leute wie euch!“

(Karl-Werner Stehmann)